!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD HTML 4.01 Transitional//EN"> THE GEMINI PROJECT - LYRICS OF 'EXPRESSIS VERBIS: HEYM PT. 1'

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LYRICS


EXPRESSIS VERBIS: HEYM PT. 1
(written 2001/recorded 2007-2008)
german lyrics by Georg Heym/1887-1912


[Die Nacht]

I

Die niedre Mitternacht ist regengelb,
Der schwarze Strom wächst unter Wolken fort,
Und an den Ufern, schwankend und verwelkt,
Die sonderbaren Häuser gehen fort.

Die alten Gassen sind in Nacht gekrümmt,
Wo in den Toren rote Lampe schwimmt.
Und manchmal wird ein Mensch vorbeigefegt,
Den hinten groß sein schwarzer Schatten schlägt.

Die Füße tanzend wie von Silber leicht.
Der Sturm, der feige seine Locken streicht.
Und wirbelnd wirft er schräge Blicke um,
Und seine Flügel-Schultern zittern stumm.

II

In niedern Gassen stehen Kinder klein
Mit Zwiebelköpfen um ein Feuerlein.
Und Krüppel wohnen unter der Höfe Tor
Und reichen ihre Knochenfüße vor.

Und mancher Baum wird in der Nacht entlaubt,
Der Regen fällt auf manches Trunknen Haupt.
Ein kleines Licht am Fenster oben steckt,
Wo jemand sterbend seine Klauen streckt.

Die Wächter wandeln sanft und tuten hell.
Luft-Diebe springen über die Türe schnell.
Auf einmal fällt ein breiter Lampenschein
Vom Mond-Gehöfte in die Nacht hinein.

III

Auf Schlangenhälsen die feurigen Sterne
Hängen herunter auf schwankende Türme,
Die Dächer gegeißelt. Und Feuer springet
Wie ein Gespenst durch die Gassen der Stürme.

Fenster schlagen mit Macht. Und Mauern, die alten,
Reißen die Tore auf wie zahnlose Munde.
Aber die Brücken fallen über dem Schlunde,
Und der Tod stehet draußen, der Alte.

Die Plätze sind rot und tot. Und riesige Monde
Steigen über die Dächer mit steifen Beinen,
Den fiebernden Schläfen tief in die Kammer zu scheinen,
Und die Stirne wird fahl wie frierendes Leinen.

Aber die Menschen rennen, ohne zu wissen,
Blind und schreiend, mit Schwertern und Lanzen.
Unten hallet es dumpf. Und die Glocken tanzen,
Schlagend laut von den Winden gerissen.


[Der Galgenberg]

Wir wurden auf den kahlen Berg geführt.
Wir sahen in den Lüften die Gerippe,
Die Hände auf dem Rücken festgeschnürt.
Im Winde sprang und tanzte ihre Sippe.

Wir stiegen auf den Leitern in den Kreis,
Sie grüßten uns mit einem leichten Gruße.
Die Haare klebten uns vom kalten Schweiß,
Da stieß uns fort der Henker mit dem Fuße.

Wir stürzten in das Nichts. Und da zerbrach
Mit einem Ruck der Knochen im Genicke,
Versanken wir in Träume allgemach,
Zu langem Schlafe hingen wir am Stricke.

Wir schliefen manches Jahr auf hoher Wacht.
Die Trauer schmolz uns aus im Luftgemache.
Wir wachten auf in einer Regennacht,
Da grüßten wir uns mit der Totensprache.

Wir waren kahl geworden, Jahr auf Jahr.
Kaum sproßte noch das Haar in weißen Strähnen.
Die Kiefer hingen schon, des Fleisches bar,
Wie alten Greisen, die den Tag vergähnen.

Doch jung ward in den Stürmen unser Hirn.
Wir tanzten an dem Strick mit lautem Tanz.
Statt Blumen trugen wir auf unsrer Stirn
Des Galgens Pech in einem schwarzen Kranz.

Wir wurden langsam braun von Zeit und Rost.
Der Hemdenstrick war unser Ordensband.
Wir hielten still, wenn nachts der Winterfrost
Den weißen Turban um das Haupt uns wand.

Wir sahn im März des Erdgotts Häupter steigen
Mit braunen Locken an des Landes Decke.
Den Frühlingssturm und warmer Winde Reigen.
Am Galgen schoß das Kraut im kahlen Flecke.

Wir sahn die Hügel voll mit kleinen Pflügen,
Des Landes weiten Sommer zu umfahren.
Wir tranken seinen Duft mit vollen Zügen,
Wenn er im Felde schlief mit gelben Haaren.

Wir säten Mißwachs aus. Schwarz stand das Korn,
Die Sommernächte wurden feucht und kalt.
Die Nesseln schossen wie ein Kiefernwald.
Aus nassen Äckern wand sich Dorn um Dorn.

Wir sahn die Dörfer leer von unsrem Berge.
Die schwarzen Kasten schwankten uns vorbei.
Der Erde offnes Maul ergriff die Särge,
Zermalmte in den Kiefern sie zu Brei.

Wir sahn die Pest am Rand der Wälder stehen,
Die Kutte saß ihr voll auf prallen Weichen.
Wir sahen nachts den Tod im Lande gehen,
Die Länder mähend mit den Riesenstreichen.

Wie tanzten wir in kühler Julinacht,
Da Sarg auf Sarg zur offnen Kelter fuhr.
Der gelbe Mond ging auf im Regen sacht,
Und warf der Tänzer Schatten durch die Flur.

So war es einst. Jetzt bin ich alt und grau,
Verwittert von den Stürmen und der Zeit.
Der Brüder Schädel wäscht der Morgentau
Im Unkraut weiß, wo sie der Wind verstreut.

Schon sind die Stricke alle leer und faul.
Wann wächst am Galgenbaum noch solche Frucht?
Der Regen sickert durch das offne Maul
Der weißen Schädel in der grünen Schlucht.

Wie einsam ist es nun im Frührotschein.
In Winterkälte frier ich wie ein Kind.
Der Juli glüht mir heiß im Schläfenbein.
O rissen doch die Stricke in dem Wind.

Wie geht die Zeit. Wie bleich sind Nacht und Tag.
Des Herbstes Leid wohnt mir in weißen Brauen,
Und immer hör ich Schrei und Flügelschlag
Der Dohlen, die im Haar mir Nester bauen.



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